Skip to main content

Musik in der Türkei

Musik in der Türkei enthält in ihrer Besonderheit die Spuren der Lage des Landes zwischen Orient und Okzident. Als Nachfolger des byzantinischen und des osmanischen Reiches hat das Land eine lange musikalische Tradition, die von vielen unterschiedlichen Einflüssen gespeist wurde, ebenso von antiker byzantinischer Musik wie von indischer, arabischer und auch persischer Musik. Aber auch europäische, klassische Musik sowie die heutige Popkultur haben ihre Spuren in der Musik der Türkei hinterlassen. Grundsätzlich hat die türkische Musik zwei große Strömungen und eine dritte, die sich erst seit einigen Jahrzehnten etabliert hat.

Musik in der Türkei

Musik in der Türkei ©iStockphoto/frantic00

Die erste Strömung ist die klassische Musik, deren Wurzeln in der islamischen Kultur, aber auch in der Musik der persischen und arabischen Nachbarn zu finden ist. Sie wird auch türkische Kunstmusik oder Türk Sanat Müziği genannt wird. Dann findet man alles, was mit Volksmusik bezeichnet werden kann, hauptsächlich durch die Kultur der Gemeinden in Anatolien geprägt ist und auf türkisch Türk Halk Müziği heißt. Als Drittes ist es noch interessant zu schauen, welchen Weg Pop- und Worldmusik im türkischen Umfeld gegangen sind und immer noch gehen.

Klassische türkische Musik

Die klassische türkische Musik entwickelte sich zur Zeit der Gründung des osmanischen Reiches im 13. Jahrhundert. Für die herrschende Klasse galt diese klassische türkische Musik als einzige originäre Musik des Landes, die sich völlig unabhängig von der Musik des einfachen Volkes entwickelt hatte und nur von der Oberschicht des Hofes gehört und gespielt wurde. Klassische türkische Musik hat sich in enger Verbindung mit der osmanischen Hofdichtung des Divan entwickelt und auch die Themen sind an die Konventionen des Hofes angepasst, wie Liebe, Schönheit oder Natur. Diese Musik folgt einem ganz festgelegten System aus unterschiedlichen Tonleitern und Notenfolgen sowie Regeln für die Musikkomposition, die man in der Türkei Maksim nennt. Auch ein Improvisationsteil gehört oft dazu, der Taksim heißt. Die Lieder, die auch Teil dieser Musik sind, reichen in ihrem Ursprung teilweise bis ins 14. Jahrhundert zurück. Die bevorzugten Instrumente für diese Musik sind die Oud, eine Kurzhalslaute, die in unterschiedlichen Stimmungslagen im gesamten Orient Verwendung findet, daneben die Tanbur, eine gezupfte Langhalslaute, die Ney, eine Längsflöte, die Kanun, eine Art eckige Zither und die Darbuka, die eine einfellige Bechertrommel ist. Auf der Ebene der Harmonie gibt es einen großen Unterschied zwischen der europäischen Musik und der türkischen Kunstmusik, denn letztere hat nicht wie die europäische Musik nur Ganz- und Halbtonschritte, sondern hier hat ein Ganzton neun Unterteilungen. Gleichzeitig herrscht hier das Prinzip der Einstimmigkeit.

In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts erlebte diese klassische Musik eine Renaissance und wird seitdem an mehreren Konservatorien unterrichtet, unter denen das Staatskonservatorium in Istanbul das bekannteste ist. Auch die Gründung des Staatsensembles für klassische türkische Musik durch das türkische Kultusministerium ist dieser Wiederentdeckung zu verdanken.
Zu Beginn des 20. Jahrhundert erlangte die westliche klassische Musik einen größeren Einfluss in der Türkei und junge Musiker wurden auf europäische Konservatorien geschickt, um eine weitergehende musikalische Ausbildung zu erhalten. Infolgedessen wurde von Europa aus die Bildung eines Konzertwesens und einer Musikschöpfung nach westlichem Vorbild unterstützt. Hier sind zum Beispiel die später bekannten Komponisten Cemal Reşit Rey und Ulvi Cemal Erkin zu nennen. Der deutsche Komponist Paul Hindemith unterstützte die Gründung des Staatskonservatoriums von Ankara im Jahr 1935.

Die türkische „Volksmusik“

Die türkische Volksmusik ist das älteste der Musikgenres im Land und auch das vielseitigste. Erstmals gesammelt und katalogisiert wurde diese Musik in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts auf Initiative von Atatürk, eine Arbeit, die bis in die 50er Jahre andauerte und über 10.000 Stücke vor dem Vergessen bewahrte. Sinn dieser Initiative war es, der gerade gegründeten türkischen Nation so etwas wie eine einheitliche, kulturelle Identität zu verschaffen, und man glaubte, diese wäre der türkischen, volkstümlichen Musik näher als der elitären Kunstmusik des osmanischen Reiches. Die Themen der Volksmusik umfassen eine breite Palette an Erzählungen aus dem Alltagsleben des Volkes, wie Krieg und Frieden, Schicksalsschläge aber auch Heldentaten und Glücksfälle. Auch Liebesgeschichten nehmen einen nicht unerheblichen Raum ein.

Auf der musikalischen Ebene bedient die türkische Volksmusik sich mehrerer Arten von Tonleitern und basiert zum größten Teil auf der Saz, einem Zupfinstrument aus der Gruppe der Langhalslauten, das aus der türkischen Volksmusik nicht wegzudenken ist. Die Saz ist auch das Basisinstrument für ganze Sazorchester, die, mit Gitarren und Schlagzeug verstärkt, die sehr beliebte Form türkischer Lieder spielen, die Türkü genannt werden. Auch auf Familienfesten, wie zum Beispiel Hochzeiten, sind diese Orchester sehr beliebt. Volksmusik ist auch die Begleitmusik für die in vielen Regionen der Türkei existierenden Volkstänze, die jeweils einen sehr eigenen Charakter haben. Neben der Saz werden noch weitere Instrumente wie die Zurna, ein Blasinstrument oder die Davul, eine Art Trommel, gespielt. Diese beiden treten oft als Duo auf und werden meistens im Freien gespielt, da sie sehr laut sind. Darüber hinaus gibt es noch einige kleine Blasinstrumente, welche die türkische Volksmusik anreichern.

Zu erwähnen sind noch die Derwische, deren Trancetänze über die Grenzen des Landes hinaus bekannt sind. Ihre Musik, die Ayın genannt wird, ist oft von Gesängen eingerahmt, die auf vertonten Gedichten ihres Gründes Dschalal ad-Din Rumi basieren. International bekannt sind in diesem Zusammenhang Musiker wie Necdet Yaşar oder Kudsi Erguner.

Eine dritte Musikrichtung: türkische Popmusik

Schließlich muss auch noch auf die allmähliche Anbindung der türkischen Musik an die Tendenzen der Worldmusic eingegangen werden. Seit den 60er Jahren hat auch die europäische Popmusik auf eine spezifische Weise in der Türkei Einzug gehalten. Zuerst begann dies, wie auch in vielen europäischen Ländern, mit der Übersetzung von englischsprachigen Popsongs in die jeweilige Landessprache. Zur gleichen Zeit etablierte sich eine andere Musikrichtung in der Türkei, die ihren Ursprung in der Bauchtanzmusik des Nahen Ostens hatte, welche die türkische Landbevölkerung schon seit geraumer Zeit im Radio hören konnte. Diese Musik wurde Arabesk genannt, und die armen Bauern, die auf der Suche nach Arbeit in die Großstädte zogen und sich nur schwer an dies neue Leben und die damit einhergehende Entwurzelung gewöhnen konnten, mischten diese Musik mit der türkischen Volksmusik. So entstand eine neue, melancholische, ein wenig an arabische Melodielinien angelehnte Musikrichtung, welche die Heimatlosigkeit dieser neuen Bevölkerungsschichten ausdrücken sollte und sich sehr schnell zu einer viel gehörten und gespielten Musikrichtung entwickelte.

Auch einige andere Bevölkerungsgruppen, wie die Aleviten und die Roma haben ihren ganz eigenen Musikstil, der vor allem bei den Roma von fahrenden Musikanten gespielt und aufgeführt wird.
Durch die wirtschaftliche und gesellschaftliche Öffnung der Türkei in Richtung Westen im Laufe der 90er Jahren erlangte die Popmusik des Westens immer größeren Einfluss auf die türkische Musik. Jedoch blieb der Einfluss der Arabeskmusik auf diese neue Musikrichtung immer deutlich. Bekannte Interpreten in diesem Feld sind zuerst Sezen Aksu, die mehrmals am Eurovision Song Contest teilnahm, aber auch ihre männlichen Kollegen Tarkan und Mustafa Sandal.

Durch die Verschmelzung von Elementen türkischer Volks- und Popmusik mit dem amerikanischen Rock n’Roll entstand der Anadolu Rock, in türkisch „Özgün Musik“ genannt, deren bekannteste Vertreter Erkin Koray und Cem Karaca sind. Die in dieser Musik enthaltene leichte Tendenz zu Auflehnung und Systemkritik hat in der Folge Künstler wie Moğollar und Kurtalan Ekspres, deren Texte einen politischen Hintergrund hatten, dazu gebracht, ihre Musik auch in diesem Stil zu singen.

Zum Schluss muss noch der türkische Hip-Hop erwähnt werden. Nach dem Beispiel nordafrikanischer Rapper in Frankreich ist dieser zuerst in Berlin entstanden, wo am Anfang der 90er Jahre zuerst die Gruppe Islamic Force, die ihre Heimat in Berlin hat, bekannt wurde. Weitere junge Interpreten dieser Musikrichtung nannten ihre Musik in der Folge Orientalischen Hip-Hop.

Top Artikel in Türkei